Weihnachten rückt unaufhaltsam näher, aber wie können wir Weihnachten nicht nur zeitlich näher kommen?  Bei vielen von uns bleibt die Vorfreude in diesem Jahr verhalten. Dabei wurde uns in dieser seltsamen „Pandemie-Zeit“ schon so manches Mal gesagt, man sollte doch die Corona Bedingungen als Chance sehen. Als Chance sich dem eigentlichen Sinn von Weihnachten zu nähern.

Aber dieses Gefühl will sich bei mir ganz und gar nicht einstellen. Weihnachts-markttrubel, Geselligkeit und Einkaufsstress werden bei den Meisten von uns doch nur durch die Sorge um das Wohlergehen der Familie, durch Existenzängste und Onlinebestellungen ersetzt. Wir schauen jeden Tag auf Fallzahlen, auf sich ändernde Corona-Verordnungen, müssen unser Leben täglich um planen und uns über „Querdenker“ ärgern.

Es braucht also wohl doch mehr als eine Krankheit, die die Menschheit befällt und an der nichts Gutes ist.

Die Freiheit der Gedanken und der eigenen Entscheidung ist ein hohes Gut und macht aus uns anstatt Marionetten wirkliche Kinder Gottes. Jesus hat seine Jünger auch nicht an ein Seil gebunden und hinter sich her geschleift. Jesus zwingt keinen, er bittet, er fordert auf – zwar nachdrücklich aber ohne Zwang. Die gottgewollte Eigenständigkeit des Menschen beinhaltet Eigenverantwortung und Wahlfreiheit.

Und auch wir im Heute lernen täglich, was auch unsere jüngere deutsche Geschichte zeigt: Zwang ist immer die Schlechteste aller Möglichkeiten.

Aber mit welcher Grundlage können wir die Freiheit der Entscheidung leben? Wir brauchen zumindest ein gewisses Verständnis der Lage, müssen Dinge einordnen und beurteilen. Daher ist Entscheidungsfreiheit ohne Bildung undenkbar. Wie auch eine Demokratie diese Bezeichnung nicht verdient, wenn den Bürgern die Bildungsgrundlage fehlt – aber die USA sollen heute nicht unser Thema sein. 😉

Die Zeit der Aufklärung, sagt man, war im 17. & 18. Jahrhundert. Ich wundere mich, warum Jesus von Nazareth bei dieser Betrachtung keine Beachtung findet. Er war, meiner Meinung nach, einer der ersten Aufklärer der Menschheits-geschichte. Jesus hat gepredigt, er hat die Schriften erklärt, den Menschen Mut zugesprochen und immer wieder angemahnt selber zu denken. „Das Gesetz ist für den Menschen da und nicht der Mensch für das Gesetz“ (nach Markus 2, 27). Mit Empathie verbundenes, eigenständiges Denken ist nötig um Jesu Gleichnisse und Wirken zu verstehen. Er hat uns ermahnt das Wohl des Nächsten als das Wichtigste zu nehmen – aber auch dafür muss man Situationen erfassen und vernünftig einordnen können.

Rationales Denken und Empathie – das ist auch heute noch der Schlüssel für eine gelingende Gesellschaft.

(Wer sich jedoch, anstatt das Wohl des Nächsten, aus Frust, das „Dagegen“ und die eigene Selbstverwirklichung als höchstes Ziel nimmt, der darf sich nicht wundern wenn die Gesellschaft dann doch ein wenig Zwang ausübt)
Wir sind also Selbstverantwortlich und können den Weihnachtsgedanken in der Adventszeit ganz nach vorne stellen. Können wir das wirklich?!  Wie soll das gehen, da man doch fast nur noch hin und her geworfen wird, durch äußere Einflüsse und von vielen schier unlösbaren Problemen?

Vielleicht hilft hier der Rückschritt:

Ein historischer Rückschritt, ein emotionaler Rückschritt, ein zeitlicher Rückschritt und ein gedanklicher Rückschritt.

Die Zeit vor Jesu Geburt war nicht gerade eine Zeit in der man entspannt seine Spiritualität ausleben konnte. Von Besatzern umgeben wurde das Volk Israel drangsaliert und ausgebeutet. Menschenverachtende Politik und Ungerechtigkeit war an der Tagesordnung. Die heilige Familie machte keinen Sonntagsausflug sondern wurde gezwungen eine lange, beschwerliche und gefährliche Reise zu unternehmen. Wie vielen anderen fehlte es an Geld für das Nötigste, so dass sie sogar in einem Stall, mit Tieren zusammen, übernachten mussten. Auch wenn wir die Geschichte schon so oft gehört haben, hilft das Wiederholen zu verstehen, dass Weihnachten mehr ist als ein bunt beleuchteter Stall mit Krippe inmitten von Weihnachtsmarktständen und Glühweinbuden. 
Zurück zu uns und damit zu unserer menschlichen Gabe uns von den aktuellen Dingen gedanklich zu entfernen - einen Schritt zurückzutreten, den Blick zu weiten und damit, wenn auch nicht normiert denn doch wenigstens relativiert, auf uns zu blicken.
Auch wenn der Tag voll ist und man von einem Termin zum anderen hetzt kann man sich vielleicht ein paar Minuten einplanen um die Gedanken zu Ordnen und zur Ruhe zu kommen. Der eine kann möglicherweise 10 Minuten eher aufstehen und bei einer Tasse Kaffee ein wenig Ruhe finden, der andere kann sich eine Pause zwischendurch einplanen (einfach so tun, als hätte man einen weiteren höchstwichtigen Termin) und wieder andere können Abends vor dem Schlafen- Gehen nochmals den Tag revue-passieren lassen und dabei vielleicht kleine weihnachtliche Vorboten entdecken.

Der Schritt zurück kann uns dazu führen zu überlegen: Was waren die Tiefpunkte in meinem Leben und was ist gegebenenfalls im Vergleich dazu im Moment gut oder wenigstens besser. Man kann versuchen sich die positiven Aspekte der eigenen momentanen Lebenssituation vor Augen zu halten, denn die verliert man in angespannten Situationen gerne aus den Augen.

Beim Schritt zurück geraten auch Mit-Menschen ins Blickfeld, die dringend unsere Hilfe brauchen. Menschen für die man ein wenig Kraft aufheben sollte, die sonst möglicherweise nur für sinnloses Ärgern verbraucht wird.
Aber natürlich gibt es dieser Tage auch viele Menschen, deren Nöte nicht hausgemacht sind und auch keineswegs relativierbar. Hier braucht es trotz Leiden und Not den Rückschritt um die Menschen bemerken zu können, die in der Nähe sind, die helfen und stützen möchten. Jeder kann in Abgründe gezogen werden aus denen man alleine nicht entfliehen kann – hier heißt es dann den Stolz herunter zu schlucken, um Hilfe und Beistand zu bitten und dankbar anzunehmen.
Nicht zuletzt dürfen wir uns immer im Gebet an unseren Herrn wenden und um Beistand und Kraft bitten.

Ich wünsche Euch Frohe Weihnachten, Kraft, Mut und den Willen sich gelegentlich die Zeit zum Schritt zurück zu nehmen. Lasst Euch auf die frohe weihnachtliche Botschaft ein. Habt Geduld, Vertrauen, ein wenig Gelassenheit und kümmert Euch umeinander. Gott segne Euch!

Euer Frank Mielke

 

Frank Mielke ist stellvertretender Vorsitzender des Presbyteriums unserer Gemeinde.