Die Blätter fallen

Die Blätter fallen

Die Blätter fallen. Fallen wie von weit,
Als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
Sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
Aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
Unendlich sanft in seinen Händen hält.
Rainer Maria Rilke

 

Liebe Gemeinde,

mit diesen Worten beschreibt der Dichter die Jahreszeit, in der wir gerade leben, überaus treffend.

Die Blätter färben sich bunt, welken, verdorren und fallen, vergehen.

Das Wetter passt zur Stimmung der Menschen oder die Stimmung der Menschen passt sich dem Wetter an: trüb, neblig, kalt.

Wer allein lebt empfindet die Einsamkeit umso drängender.

Wer um einen lieben Menschen trauert, leidet noch mehr.

Wer Abschied nehmen muss oder musste, versinkt im Meer der Tränen.

Die Grunderfahrung, die Grundstimmung dieser Zeit ist die des Abschied und der Vergänglichkeit.

Alles, was ist, vergeht. Alles, was blüht, verwelkt. Alles, was lebt, stirbt.

Das Blatt, das fällt ist ein gutes, ein treffendes Bild für diese Grunderfahrung.

Wie das Blatt vom Baum fällt und vergeht, so fällt der Mensch im Tod aus der Gemeinschaft der Lebenden heraus, stürzt in den dunklen Abgrund des Nichts, des Todes.

“Und doch ist einer welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält.“

Diesen Trost fasst Psalm Ps 31,6 in die Worte: “In deine Hände befehle ich meinen Geist“.

Gott hält, trägt, umfängt uns und fängt uns auf, wenn wir fallen und sei es aus dem Leben.

Wir müssen das Leben verlassen und mit ihm Orte und Menschen. Gott verlässt uns niemals.

In seinen Händen sind und bleiben wir geborgen, was uns auch widerfährt.

Der Glaube, dass das wirklich so ist, das Vertrauen, dass wir nie tiefer fallen können als in Gottes Hände, diese Überzeugung tröstet in Abschied und in der Erfahrung der Vergänglichkeit.

 

Es grüßt Sie herzlich

 

Pfarrer Rolf Klein