Fortschritt und Glaube – ein Widerspruch?


Foto: J. Schuler, Basilika San Francesco

 

Der Sommer naht und die Sommerferien sind nicht mehr fern. Viele freuen sich auf diese Auszeit und die Möglichkeit, wieder Kraft zu tanken für kommende Aufgaben. Wie so oft in den letzten Jahren werden meine Frau und ich unseren Urlaub in Italien verbringen, genauer gesagt in Umbrien. Im Inland Italiens gelegen, verzaubert eine Landschaft, die der toskanischen sehr ähnelt, beeindrucken mittelalterliche Städte wie Orvieto oder Perugia den Besucher und lässt die umbrische Küche jeden Gast mit der Zunge schnalzen.

Ich erinnere mich noch gut an die Ausflüge im letzten Jahr. Wir besichtigten die Stadt Fabriano, in der im 13. Jahrhundert das erste Mal auf europäischem Boden Papier hergestellt wurde. Über arabische Händler war das Papier nach Italien gelangt. In einem Museum führte man uns die mittelalterliche Technik des Papierschöpfens vor, zeigte uns die damals eigens dafür entwickelten Maschinen und erklärte uns, wie in Fabriano seiner Zeit das Wasserzeichen erfunden wurde. Der Einfallsreichtum und die technische Raffinesse der mittelalterlichen Meister beeindruckten mich sehr. Innovation und Fortschritt im mittelalterlichen Italien.

Nur etwa 50 Kilometer entfernt liegt die Stadt Assisi. Nicht zum ersten Mal besuchten wir die Stadt, in der im 13. Jahrhundert der reiche Kaufmannssohn Giovanni Bernardone sein Leben von Grund auf änderte, auf Hab und Gut verzichtete und fortan als bettelarmer Franziskus seinem Herrn Jesus Christus nachfolgte. Als ich durch die Gassen von Assisi ging – noch beeindruckt von der technischen Innovationskraft der mittelalterlichen Ingenieure aus Fabriano – da fragte ich mich, warum wir heutzutage naturwissenschaftliche Erkenntnis und technischen Fortschritt oftmals so sehr im Gegensatz sehen zu Glaube und Gottvertrauen. Damals hat das doch auch nebeneinander Platz gehabt. Zugegeben, damals war Mittelalter und das aufklärerische Denken hatte noch nicht eingesetzt. Aber können wir heutzutage nicht doch beides in uns miteinander versöhnen? Das Wissen und die Erkenntnis einerseits und das Vertrauen in den dreieinigen Gott andererseits, der uns im Leben - und über den Tod hinaus - behütet und beschützt? Der Genetiker und Nobelpreisträger Werner Arber hat 2019 in einem Interview zu seinem 90. Geburtstag gesagt: „Ja, natürlich glaube ich an Gott und seine Schöpfung!“

Pfarrer Joachim Schuler