Liebe Gemeinde,
seit einigen Jahren kennen wir den Begriff des “Fremdschämens“. Das Gefühl überfällt einen, wenn man vorwiegend im Fernsehen mit ansehen kann oder muss, wie Menschen sind gründlich blamieren. Sie geraten in peinliche Situationen, stellen sich und intimste Details ihres Lebens bloß, versagen, scheitern. Was man zu sehen und zu hören bekommt ist peinlich, das Gefühl des „Fremdschämens“ kommt auf.
Und was geschieht, wenn ich selbst bloßgestellt werde?
Wenn meine Intimsphäre verletzt wird?
Wenn ich „einen Bock schieße“, das Ziel nicht erreiche…? Dann schäme ich mich, empfinde Bloßstellung und Verlegenheit. Ich möchte mich verkriechen, unsichtbar werden, in Luft auflösen.
Ich werde rot, verlegen, unsicher.
Das alles kann geschehen, weil ich etwas tue, sage oder denke, was nicht „angesagt“, nicht „in“ ist, was dem Zeitgeist nicht entspricht.
Wenn ich einmal oder mehrfach wegen meiner Meinung, meines Verhaltens
oder meiner Überzeugung solches erlebt habe, werde ich vorsichtig, zurückhaltend, vielleicht sogar schüchtern oder ziehe mich ganz zurück. Wenn das besagte Thema aufkommt, halte ich den Mund oder flüchte mich in Banalitäten.
Ein Thema, bei dem Menschen das heute öfter als früher geschehen kann, ist ihr christlicher Glaube. Dieses Thema ist zum Tabuthema geworden. Spricht man heute freimütig und freizügig über Vorlieben und Neigungen in fast allen Lebensbereichen (auch bei sehr intimen), so wenig wird das, was man glaubt Gegenstand von offenen Gesprächen.
Der Monatsspruch für den Februar, ein Wort des Apostel Paulus widerspricht dem vehement. Aus diesem einen Satz spricht eher Stolz als Scham.
Auch wenn es damals wie heute nicht angesagt war oder ist, nicht auf die eigenen Fähigkeiten allein, nicht nur auf Fortune oder Beziehungen zu setzen, die Botschaft von Jesus, das Evangelium berichtet von einer anderen Kraft, von der Kraft Gottes, die sich ausdrückt in den Worten und Taten Jesu. Diese Kraft ist die Kraft der Vergebung, der Liebe und der Barmherzigkeit.
Und es ist die Kraft, über die wir Menschen nicht nach Gutdünken verfügen. Sie wird uns geschenkt, im Evangelium, im Glauben.
Und dessen muss man sich gewiss nicht schämen.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr Pfarrer Rolf Klein