Wenn ich mit Brautpaaren den Traugottesdienst vorbereite, gilt es auch, eine biblische Lesung für den Gottesdienst auszusuchen. Oft fällt dann die Entscheidung zwischen dem 13. Kapitel des 1. Korintherbriefes (Glaube, Liebe, Hoffnung) und einem Textabschnitt mit unserem Monatsspruch. Denn dieser klingt sehr romantisch und spricht unverblümt von der Liebe zwischen Mann und Frau.
Aber genau hier scheiden sich seit Jahrhunderten die Geister in der biblischen Wissenschaft: Ist das Hohelied im Alten Testament eine Sammlung von Liebesliedern oder spricht hier der Verfasser gleichnishaft von der Liebe zwischen Gott und seinem Volk Israel? Gute Argumente gibt es auf beiden Seiten.
Jedenfalls wird in der Bibel des Alten wie des Neuen Testaments von der Liebe Gottes gesprochen, ja geradezu von ihr geschwärmt. So sehr, dass der 1. Johannesbrief formuliert: „Gott ist die Liebe.“ (1 Joh 4,16). So hat also die Liebe ihren Ursprung in Gott und er ist der große Liebende, der Liebhaber allen Lebens. Gottes Botschaft an uns ist, dass seine Liebe unverbrüchlich ist.
Das ist an Jesus abzulesen. In Jesus nimmt Gottes Liebe Gestalt an: Wie er auf Menschen zugegangen ist und sie geheilt hat. Wie er ihre innere Zerrissenheit gespürt und ihnen ihre Sünden vergeben hat, um einen Neuanfang zu ermöglichen. Wie er von Gott, unserem Vater im Himmel, erzählt und so den Menschen die Liebe Gottes verdeutlicht und so verkündigt hat. Und wie er – seine größte Tat – aus Liebe zu uns und somit für uns in den Tod gegangen ist zur Vergebung der Sünden. An Jesus ist abzulesen, wie konkret und gleichsam handgreiflich Gottes Liebe zu uns ist. So gewaltig, dass sie selbst den Tod für uns besiegt hat.
In einer Auslegung zu unserem Monatsspruch war zu lesen, dass Gottes Liebe in Jesus Christus „weltförmig“ sei. Ein Begriff, der die Wirkung dieser Liebe gut beschreibt. Denn sie formt wirklich die Welt nach Gottes Willen. Und zwar immer dann, wenn wir Menschen diese Liebe, die wir selbst erfahren, an andere weitergeben: in unserer Hilfe für andere, in einem tröstenden Wort an andere, in einer Spende für Notleidende, in einem Gebet für andere oder für den Frieden. Angesichts von Umweltkatastrophen wie der Pandemie oder dem Krieg in der Ukraine muss uns klar sein, dass wir die Welt nicht vollends nach Gottes Willen formen können. Aber wir können sie durch Gottes Liebe, die wir leben, Stück für Stück zu einem besseren Ort machen. Gott helfe uns dazu.
Ihr Pfarrer Joachim Schuler