Liebe Gemeinde,

wir tragen alle eine Maske.

Dieser simple Satz beschreibt zuerst unsere Corona-bestimmte Zeit.

Im Supermarkt, beim Bäcker, in der Schule, wir tragen alle (hoffentlich) eine Maske.

Der simple Satz kann aber auch anders verstanden werden, verstanden werden in dem Sinn, dass wir bestimmte Rollen spielen, uns verstecken hinter Masken, die etwas vorgeben oder vormachen.

Im Alltag, besonders im Beruf, gibt es viele Situationen, in denen es nicht nur hilfreich, sondern notwendig ist, dass der Mensch mir gegenüber nicht sieht, was ich wirklich denke und fühle.

Zuhause, in der Freizeit, unter guten Freunden kann dann so manche Maske fallen. Ich wage es, mein wahres Gesicht zu zeigen, mich zu geben wie ich bin.

Nur wenn ich eine Maske niemals abnehmen, immer eine bestimmte Rolle spielen muss, oder meine spielen zu müssen, wird es anstrengend, nervend. Bin ich überhaupt noch der, der ich eigentlich bin oder bin ich nur noch meine Maske, meine Darstellung, meine Performance?

Gedanken und Fragen, die ein ganz simpler Satz auslöst.

Mich bewegt bei dem Satz aber noch etwas anderes:

warum tragen wir in Corona-Zeiten die Maske?

Sie dient dem Schutz der anderen Menschen.

Ich reduziere durch die Maske die Gefahr, dass ich andere anstecke, denn ich weiß ja nicht, ob ich das Virus in mir trage.

In den Ländern Asiens, besonders in Japan, tragen Menschen schon sehr lange in der Öffentlichkeit Masken. Spüren sie auch nur die Ahnung eines Symptoms einer Erkältung, setzen sie zum Schutz der anderen Menschen eine Maske auf.

Nicht sich selbst schützen sie also, die anderen Menschen stehen im Mittelpunkt.

Die Maske lenkt den Blick von mir selbst weg auf die anderen hin.

Damit erfüllt sie eine sehr gute Funktion. Mit der Maske vollzieht sich ein Perspektivwechsel: nicht mehr meine Person steht im Focus, sondern der andere Mensch.

Wie bei einer Handykamera schalte ich um vom Selfie auf den anderen und die Welt, die jetzt nicht mehr nur Hintergrund für meine Person sind.

Von mir absehen, das ist eine Haltung, die uns allen gut tut, denn sie führt zu Rücksichtnahme und Mitgefühl, zu Verständnis und Toleranz.

Diese Haltung lehrt und lebt Jesus.

In seiner Aufforderung zur Nächstenliebe sind für ihn alle Gebote enthalten.

Mit dem Blick auf den anderen Menschen zu leben und nicht um sich selbst zu kreisen, nach dem Nächsten zu fragen, ihm zu helfen und für ihn zu sorgen, damit verändert sich nicht nur meine Sicht auf die Welt. Die Welt selbst verändert sich: sie wird menschlicher.

Und wenn Sie sich das nächste Mal über Ihren Mund-Nasen-Schutz ärgern, erinnern Sie sich vielleicht:

er schützt die anderen und zeigt ihnen, dass Sie nicht nur an sich denken.

Bleiben Sie gesund wünscht

Pfarrer Rolf Klein