Liebe Gemeinde,
sind Sie auch urlaubsreif? Wie sehr sehnen sich alle nach der Wärme, den langen, schönen Tagen und Abenden der schönsten Jahreszeit. "Ja, ich bin urlaubsreif", so sagen Sie. Aber - bin ich auch reif für den Urlaub? Beides hört sich sehr ähnlich an - und doch ... Es ist spannend, dass dieses kleine Wörtchen "reif" in der deutschen Sprache einen doppelten Sinn hat.
"Ich bin urlaubsreif" - damit will man sagen, dass man von allem die Nase gestrichen voll hat, dass es einem bis oben hin steht, dass man einfach nur weg will und vor allem hier raus. Ich glaube, das geht vielen im Moment so.
"Ich bin reif" dagegen meint, eine gewisse Vollendung erreicht zu haben, zum Beispiel wie bei einer Frucht, die gepflückt werden kann. Eine gewisse Reife zu haben, bedeutet dann, einen Wachstums- oder Lebensabschnitt erfolgreich abgeschlossen zu haben. Das meinte das früher übliche Wort "Reifeprüfung" für den Abschluss des Gymnasiums. „Ja, ich bin urlaubsreif", aber - bin auch "reif" für den Urlaub? Oder, mit anderen Worten: "Habe ich die Kunst des Urlaubmachens" überhaupt gelernt? Das soll nämlich keine Flucht aus dem Alltag sein. Das ist auch keine Reduzierung des "Lebens" auf diese Tage und Wochen des Jahres.
Die "Kunst des Urlaubmachens" bedeutet vielmehr, im Urlaub sehr bewusst ein Gegengewicht zum Alltag zu setzen, ohne diesen aber dadurch entwerten zu wollen. Alltag und Urlaub - zwei Bereiche, die sich ergänzen und deswegen zusammengehören. Alltag und Urlaub - zwei Bereiche, die gemeinsam beitragen zu einem gelungenen Leben. Alltag und Urlaub - zwei Bereiche, die uns vom Schöpfer vorgegeben sind. Denn in sechs Tagen erschuf Gott die Welt, und am siebten ruhte er. Und sein Sohn Jesus Christus suchte zwischen seinen Predigten auch immer wieder die Ruhe und das Alleinsein. Warum sollten wir es anders machen?
Und ein zweiter Gedanke. Vielleicht verschafft uns diese bewusste Auszeit eine Antwort auf die Frage: "Gott, wo bist Du?" Denn besonders im Sommer sind überall die Spuren Gottes zu entdecken: Im Singen der Vögel, in den prächtigen Farben der Blumen, im satten Grün der Bäume.
Die Welt, sie ist Gottes Schöpfung, sie trägt Gottes Handschrift und zeigt: Gott thront eben nicht fern im Himmel, sondern er ist uns Menschen so nah wie die Luft, die wir atmen, wie die Sonne, die uns wärmt. Gott hat uns reich und überreich mit der Schönheit dieser Welt beschenkt. Vielleicht ist der Sommer eine besondere Gelegenheit, noch einmal ganz neu die Schönheit und Einzigartigkeit von Gottes Welt wahrzunehmen und sich der Verantwortung wirklich zu stellen.
Lassen Sie uns also diese wunderbare sommerliche Zeit ganz bewusst wahrnehmen und leben, um uns diese Reife auch im alltäglichen zu bewahren.
Gottes Segen sei mit Ihnen. Bleiben Sie gesund!
Ihre Pfarrerin Rebecca Lackmann